Übersetzt von Anne Käfer. Wasserstoff könnte der Brennstoff der Zukunft sein, aber wie können wir ihn nachhaltig herstellen? Karin Willquist erklärt es.
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Wasserstoff gilt als 'Energieträger der Zukunft' – weil er in Brennstoffzellen unter Erzeugung von Elektrizität oxidiert werden kann, z.B. für Elektrofahrzeuge, ohne dabei Kohlendioxid (CO2), zu entwickeln, und weil er in entfernten Gebieten ohne eine Elektrizitäts-Infrastruktur produziert werden kann. Im Gegensatz zu verfügbaren Quellen wie Naturgas und Benzin, muss Wasserstoff hergestellt werden. Das bedeutet, dass Wasserstoff ein Energieträger ist und nicht ein Treibstoff.
Ein Energiesystem, in dem Wasserstoff zur Lieferung von Energie eingesetzt wird – eine Wasserstoff-Wirtschaft – wurde von John Bockris im Jahre 1970 vorgeschlagen; im Jahre 1977 wurde ein internationales Übereinkommen erzielt, um in diese Richtung zu arbeitenw1.
Wasserstoff wird heutzutage mehr als chemisches Reagens und weniger als Energieträger genutzt, aber es besteht kein Zweifel, dass Wasserstoff unser Transport- und Energiesystem umwandeln kann. Aber es ist nicht einfach, dieses Potenzial zu realisieren. Die meisten Brennstoffe, die zur Zeit eingesetzt werden, sind Flüssigkeiten, Feststoffe oder Gase mit einer hohen Energie pro Volumen (Energiedichte). Im Gegensatz dazu hat Wasserstoff eine niedrige Energiedichte; bei gegebenem Druck erzeugt die Verbrennung von einem Liter Wasserstoff ein Drittel der Energie, die bei der Verbrennung von einem Liter Methan entsteht. Dies führt zu Problemen bei der Lagerung, Verteilung und Verwendung, die von Wissenschaftlern angesprochen werden s (Schlapbach & Züttel, 2001)w2. Eine noch größere Herausforderung ist die nachhaltige Produktion von Wasserstoff. Darauf wird im Folgenden der Schwerpunkt liegen.
Wasserstoff-Brennstoffzellen
betrieben wird
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von Felix O; Bildquellee: Flickr
Wasserstoff ist auf der Erdoberfläche reichlich vorhanden, normalerweise gebunden an Kohlenstoff in Kohlehydraten (in Pflanzen) oder an Sauerstoff in Wasser (H2O). Gasförmiger Wasserstoff (H2) existiert dagegen nur in kleinen Mengen auf der Erde. Eine der Herausforderungen für die nachhaltige Produktion von Wasserstoff ist die Freisetzung von H2 aus seinen Bindungen mit Kohlenstoff und Sauerstoff.
Zur Zeit wird H2 überwiegend aus fossilen Brennstoffen (z.B. Naturgas) durch Dampfreformierung gewonnen: Dazu werden die Brennstoffe mit Wasser auf hohe Temperaturen erhitztw2:
CH4 + H2O → CO + 3H2 (1)
CO + H2O → CO2 + H2 (2)
Diese Methode beruht jedoch auf fossilen Brennstoffen und führt zur Freisetzung von Kohlendioxid, was zu den gleichen Emissionsproblemen wie die Verbrennung von fossilen Brennstoffen führt. Die Dampfreformierung ist nur nachhaltig, wenn erneuerbare Kohlenwasserstoffe wie Biogas verwendet werden, weil das freigesetzte Kohlendioxid vorher bei der Produktion der Kohlenwasserstoffe absorbiert wurde.
H2 kann auch durch Elektrolysew2, hergestellt werden, wobei Elektrizität verwendet wird, um H2O in H2 und Sauerstoff zu spalten:
2H2O → 2H2 + O2 (3)
Handys von Powertrekk.Gib
etwas Wasser hinzu und nach
ein paar Minuten hast Du
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von David Berkowitz;
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Diese Methode kann nachhaltig sein, wenn die Elektrizität aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Wellen oder Sonnenenergie erzeugt wird. H2 kann so an windigen Tagen zur Speicherung von Energie genutzt werden, wenn die Windmühlen mehr Elektrizität produzieren, als verbraucht werden kann.
Interessanterweise verläuft die natürliche Spaltung von Wasser in Ozeanen, weil mikroskopische Algen und Cyanobakterien die Sonnenenergie nutzen, um Wasser zu spalten. Diesen Prozess nennt man Biophotolyse (Gleichung 3). Die Geschwindigkeit der H2-Produktion ist jedoch extrem gering.
Es wurden Anstrengungen unternommen, die Produktionsgeschwindigkeit unter kontrollierten Bedingungen zu steigern, indem man modifizierte Mikroorganismen einsetzte, aber die Prozesse sind noch zu langsam und teuer, um in absehbarer Zeit eine realistische Quelle für H2 zu sein (Hallenbeck & Ghosh, 2009).
Schließlich kann man Biowasserstoff aus Pflanzen sowie aus Abfall aus der Industrie, Forstwirtschaft und Landwirtschaft unter Einsatz von Bakterien herstellen. Die Oxidation von pflanzlichem Material dient – wie bei uns – den Bakterien als Energiequelle, aber im Gegensatz zu uns leben die Bakterien unter anaeroben Bedingungen (Ausschluss von Sauerstoff). Bei der aeroben Atmung nutzen wir Sauerstoff, um Zucker zu oxidieren, z.B.
C6H12O6 + 6O2 → 6CO2 + 6 H2O (4)
Im Gegensatz dazu, um das Substrat so weit wie möglich zu oxidieren und damit den Energiegewinn zu optimieren, reduzieren diese anaeroben Bakterien Protonen, die während der Oxidation des Substrats freigesetzt werden, zu H2 (s. Gleichung 6, unten).
bacteria unter dem
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von Harald Kirsebom
Während meiner Doktorarbeit habe ich die Fähigkeit eines Bakteriums zur Produktion von Wasserstoff Caldicellulosiruptor saccharolyticus (Abb. 1) untersucht. Dieses lebt in heißen Quellen: anaerobe Bedingungen bei 70°C mit nur geringem Anteil an verfügbaren Kohlehydraten. Dieses Bakterium ist von besonderem Interesse, weil es doppelt so wirksam für die Produktion von Wasserstoff ist wie die meisten Bakterien.
Im Gegensatz zu Menschen gewinnt C. saccharolyticus die Energie aus einem breiten Spektrum von pflanzlichen Bausteinen: nicht nur Glukose, sondern auch z.B. Xylose (Willquist et al., 2010).
Das erlaubt den Bakterien, H2 aus Abfall herzustellen, z.B. Abfall, der bei der Verarbeitung von Kartoffeln, Zucker und Möhren entsteht, aber auch aus industriellem Abfall der Pulpe- und Papier-Produktion oder Abfall aus der Landwirtschaft wie Stroh.
Das ist ein vielversprechender Start, aber sogar C. saccharolyticus entwickelt nur 33% des möglichen Wasserstoffs, der aus dem Substrat entwickelt werden könnte. Gleichung 5 zeigt die mögliche vollständige Oxidation von Glukose, bei der 12H2 pro Molekül entstehen. Gleichung 6 zeigt die dunkle Fermentation, die von C. saccharolyticus durchgeführt wird. Dabei werden nur 4H2 (33%) pro Molekül Glukose freigesetzt. Der Rest der Energie wird als Acetat (CH3COOH) freigesetzt.
Vollständige Umsetzung von Glucose zu H2: C6H12O6 + 6H2O → 12H2 + 6CO2 (5)
Dunkle Fermentation: C6H12O6 + 2H2O → 4H2 + 2CO2 + 2CH3COOH (6)
Um den restlichen Wasserstoff aus dem Acetat freizusetzen, benötigt man externe Energie. Alternativ kann Methan (CH4) – das bei Dampfreformierung H2 entwickelt (s. Gleichung 1 und 2) – aus Acetat erzeugt werden. Zum Glück gibt es dazu drei vielversprechende Möglichkeiten (s. Abb. 2).
2CH3COOH + 4H2O → 8H2 + 4CO2 (7)
CH3COOH → CH4 + CO2 (8)
Das Methan kann der Dampfreformierung unter Freisetzung von Wasserstoff unterworfen werden.
betrieben durch eine
Wasserstoff-Brennstoffzelle
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von Bull-Doser; Bildquellee:
Wikimedia Commons
Um den Hythane-Prozess in den richtigen Maßstab zu setzen: Wenn in einem Vier-Personen-Haushalt jeder monatlich 10 kg Kartoffelprodukte isst, könnte der Abfall 0,5% der monatlich benötigten Energie für den Haushalt (3500 kWh) decken, vorausgesetzt, dass der produzierte Wasserstoff direkt eingesetzt wird (um Energieverluste zu vermeiden) und das Haus mit einer Brennstoffzellew5 für Wärme und Strom ausgestattet ist. Weiterer Wasserstoff könnte natürlich aus anderem Abfall erzeugt werden – 0,5% nur aus Kartoffeln.
Das ist eine grobe Abschätzung des Potenzials des Hythane-Prozesses, basierend auf a) 30% Energieverlust bei der Produktion von H2 und CH4 (Hythane) und b) 30% bei der Dampfreformierung von CH4 zu H2. Die Dampfreformierung (b) wird für die Produktion von Wasserstoff aus Naturgas eingesetzt und ist technisch gut ausgereift. Die Produktion von Hythane (a) ist jedoch noch nicht so effizient, jedoch geht die Forschung weiter, um die Effizienz auf 70% (wie im Beispiel) zu verbessern und so die Produktion von Biowasserstoff konkurrenzfähig mit der Dampfreformierung von fossilen Brennstoffen zur Produktion von Wasserstoff zu machen.
Wenn es auch Fortschrittew6 in jüngster Zeit gegeben hat, so ist es doch noch zu früh, um eine verlässliche zeitliche Abschätzung zu geben, wann eine nachhaltige Wasserstoff-Produktion einen signifikanten Anteil bei unserer Energieversorgung ausmachen könnte. Aber wie der Dichter Mark Strand einmal sagte, "Die Zukunft beginnt immer jetzt."
Die sichere und wirksame Speicherung von Wasserstoff ist eine der wichtigsten technologischen Herausforderungen, um Wasserstoff als Energieträger zu gewinnen. Das Institut Laue-Langevin (ILL)w7 hat sich in vorderster Front etabliert bei der Forschung zur Wasserstoff-Wirtschaft, wobei die Neutronenstreuung eingesetzt wird, um die Hydrierungs- und Dehydrierungsreaktionen in potenziellen Wasserstoff-Speichermaterialien zu verfolgen. Mehr dazu findet man auf der ILL websitew7.
Die starken Röntgenstrahlen des European Synchrotron Radiation Facility (ESRF)w8 sind kürzlich zur Aufklärung des komplexen Mechanismus bei der Wasserstoff-Produktion durch Enzyme (Dehydrogenasen) eingesetzt worden. Die meisten Enzyme arbeiten unter anaeroben Bedingungen und werden durch die Anwesenheit von Sauerstoff inhibiert. Hydrogenasen, die unter aeroben Bedingungen aktiv bleiben, sind deshalb von großem Interesse für Technologien wie enzymatische Brennstoffzellen und die lichtgetriebene Produktion von Wasserstoff. Ein deutsche Team von Wissenschaftlern hat neulich die Kristallstruktur eines dieser Enzyme aufgeklärt (Fritsch et al., 2011) vielleicht ein erster Schritt zur Wasserstoff-Wirtschaft?
ILL und ESRF sind beide Mitglieder des EIROforumw9, dem Herausgeber von Science in School.
Zum kostenlosen Herunterladen des Artikels hier oder abonniere Nature unter : www.nature.com/subscribe
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Siehe auch die geprüfte Analyse von Joan Ogden Hydrogen as an Energy Carrier: Outlook for 2010, 2030 and 2050 auf der Website der University of California: http://escholarship.org/uc/item/9563t9tc
Weiteres zur ILL-Forschung zur Wasserstoff-Wirtschaft, s. die Website der ILL oder nutze den direkten Link: http://tinyurl.com/illhydrogen
Weiteres zur ESRF-Forschung zur Speicherung von Wasserstoff, s. die Website der ESRF oder nutze den direkten Link: http://tinyurl.com/87bnj4c