Author(s): Barbara Warmbein
Übersetzt von: Olaf Brust. Eine Stunde und 34 Minuten nachdem der helle Schweif der Kosmos 3M Rakete aus dem Blickfeld verschwunden ist, blicken mehr als hundert Studenten nervös auf ihre Uhren. Das erste Signal ihres Satelliten müsste jetzt jede Minute kommen. Barbara Warmbein von der…
Die Studenten, die in der Mission ControlSchicht arbeiten, rutschen unruhig auf ihren Stühlen im Kontrollraum der Bodenstation in Aalborg, Dänemark, hin und her. Der umgebaute Hörsaal der Uni ist voller Kamerateams, mit Klebeband am Boden befestigten Kabelsträngen und Arbeitsplätzen, die durch hastig aufgehängte Poster der Student Space Exploration and Technology Initiative (SSETI Express) voneinander abgetrennt sind. Man braucht hier keine schicken Monitore, Knöpfchen und Hebelchen oder Großbildschirme an der Wand – nur ein paar Tische, Computer und ein Team äußerst aufgeregter Studenten. Dann, nach einem Rauschen und Knacken, steht die Funkverbindung: SSETI Express ist auf Sendung!
Am 27.10.2005 hob SSETI
Express auf einer KOSMOS
3M Rakete vom Plesetsk
Kosmodrom ab
Photo: J. Page
Die ersten Kapitel lesen sich wie ein Märchen. Sie beschreiben, wie hunderte europäischer Studenten ihren eigenen Satelliten entworfen, gebaut und getestet haben, um sich schon einmal mit dem Alltag eines Ingenieurs vertraut zu machen. 23 Universitäten aus vierzehn verschiedenen Ländern ließen Teams an SSETI Express arbeiteten – dem Satelliten auf der Überholspur, der von Studenten ins Leben gerufen wurde, die genug von der Theorie hatten und wissen wollten, wie es ist, wirklich einen Satelliten ins All zu schießen.
Sie schlossen sich mit dem Education Department der europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) zusammen und hatten nach 18 Monaten das erreicht, was normalerweise drei oder vier Jahre dauert und auch erheblich mehr kostet als die 100.000€, die für SSETI Express aufgewendet wurden. Die ESA kam für den Start auf der russischen Rakete vom Plesetsk Kosmodrom auf, und nachdem der Satellit an jenem frischen Oktobermorgen 2005 abgehoben war und seine ersten Signale aus seiner Umlaufbahn aus einer Höhe von 690km sendete, deutete alles auf ein Happy End hin.
Hier hörte allerdings das Märchen auf und der Ernst des Lebens hatte die Studenten schnell wieder. Nach einem erfolgreichen ersten Tag brach der Kontakt zu SSETI Express ab. Aufgrund eines Fehlers im Energieversorgungssystem konnte der Satellit seine Batterien nicht mehr aufladen. Die Studenten versuchten, den Schaden zu beheben, wozu immer noch eine kleine aber nicht unrealistische Chance bestand. „Natürlich waren wir enttäuscht, aber auf gewisse Weise erfüllt das unser Lernziel“, sagte Neil Melville, der Projektmanager und Systemingenieur von SSETI Express. „Wir wollten den Studenten einen Eindruck vermitteln, was es bedeutet, einen Satelliten auf die Reise zu schicken – und das Austüfteln von Problemlösungsstrategien gehört ganz sicher dazu.“
Der Studentensatellit
Trotz der Enttäuschung über den Stromfehler verbuchten Neil und die Teams ihre Mission als Erfolg. Zwei der drei Miniatursatelliten an Bord von SSETI Express wurden ausgeklinkt, was zu „atemberaubend präzisen“ Ergebnissen führte: Die Satelliten passierten den Beobachtungspunkt zu genau der Zeit und genau an dem Ort, den man für ihre Umlaufbahn berechnet hatte. Die Bodenstation konnte einen funktionierenden Kontakt zu den Satelliten herstellen. Aber vielleicht noch wichtiger war, dass die Studenten wertvolle Erfahrungen gesammelt haben.
Ein Tag vor dem Start schaut
das Team zu, wie die Rakete
in Position gebracht wird
Die meisten Studenten sind angehende Ingenieure. Da an einem Projekt wie SSETI Express auch rechtliche Fragen hängen, gab es auch ein Team von Jurastudenten, und wenn nicht Journalismusstudenten ein PR-Team aufgebaut hätten, hätten wir von dem ganzen Projekt wohl nie erfahren. Mangelnde Arbeitsdisziplin war kein Thema: „Wir waren alle aus freien Stücken dabei und natürlich waren wir alle begeistert von dem Projekt. So war es leicht zu managen, da wir alle wollten, dass es ein Erfolg wird“ erklärt Neil.
Der Start ihres nächsten Satelliten, dem europäische Studenten-Erdorbiter (ESEO), ist für 2008 terminiert. Ambitioniertere Studenten wollen sogar noch weiter gehen: Sie visieren den Start eines Mond-Orbiters an.
Institutions
Review
Dieser Artikel berichtet über ein sehr aufregendes Satellitenprojekt, das von Studenten geplant und durchgeführt wurde. Es beweist, dass Studenten direkt an Raumfahrttechnologie mitarbeiten können und dass dies sowohl Lehrer als auch Schüler an weiterführenden Schulen ermuntern kann, in Zukunft ähnliche Projekte zu entwickeln oder sich daran zu beteiligen. Relevante Problemfelder werden angesprochen, damit andere von den gemachten Erfahrung profitieren können.
Alesssandro Iscra, Italien
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