Die Nutzung von Nachrichten im naturwissenschaftlichen Unterricht Teach article

Übersetzt von Anne Käfer. Fernanda Veneu-Lumb und Marco Costa zeigen, wie Reportagen - sogar ungenaue - im naturwissenschaftlichen Unterricht genutzt werden können.

Nachrichten sind für uns jederzeit überall zugänglich – in Zeitungen und Zeitschriften, im Fernsehen und im Internet – und dazu gehören auch naturwissenschaftliche Nachrichten. Einige Wissenschaftler beklagen sich über die Genauigkeit der wissenschaftlichen Informationen in den Medien und aus diesem Grund lehnen es einige Lehrer ab, diese im Unterricht zu nutzen. Trotzdem möchten wir Lehrer aus zwei Gründen ermutigen, genau das zu tun.

  1. Es gibt einige sehr gute und fehlerfreie naturwissenschaftliche Berichte in den Medien.
  2. Die Suche nach Fehlern in wissenschaftlichen Nachrichten kann der Ausgangspunkt für eine Aktivität im Unterricht sein.

Wir beginnen mit dem Aufzeigen einiger Unterschiede zwischen Reportagen und wissenschaftlichen Artikeln, danach bieten wir einige Ideen für die Nutzung der wissenschaftlichen Nachrichten im Unterricht an. Obwohl wir hauptsächlich über Zeitungsartikel reden, könnte man ebenso gut andere Arten populärer wissenschaftlicher Berichte nutzen: z.B. Zeitschriftenartikel, Podcasts oder Videoclips von Fernsehnachrichten.

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Reportagen folgen immer einem vorgegebenen Muster. Im ersten Abschnitt findet man alle die Informationen, die man braucht, um die Geschichte zu verstehen: Wer, Was, Wo, Wann, Warum und Wie.

Siehe dazu ein Beispiel auf der BBC-Internetseitew1.

Wie Städte zum Aussterben von Pflanzen führen

Von Matt Walker, Herausgeber, Earth News

Ein internationales Botanikerteam hat die Aussterbungsrate von Pflanzen in 22 Städten auf der ganzen Welt verglichen. Sowohl Singapur als auch NewYork Stadt in den USA enthalten heute weniger als ein Zehntel ihrer ursprünglichen Vegetation. Dies zeigt die Analyse, die in Ecology Letters veröffentlicht wurde. Im Gegensatz dazu haben San Diego, USA, und Durban, Südafrika, über zwei Drittel ihrer ursprünglichen Pflanzenwelt beibehalten….

Matt Walker, Herausgeber von Earth News, beschreibt die Ergebnisse einer internationalen Studie, an denen Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern beteiligt waren. Hast du bemerkt, dass die Hauptinformation im ersten Abschnitt enthalten ist?

Dieses ist einer der größten Unterschiede zwischen Reportagen und anderen Textarten. In wissenschaftlichen Forschungsartikeln werden beispielsweise Ergebnisse und Schlussfolgerungen in getrennten Abschnitten gegen Ende vorgestellt. Auch im Abstract, der Kurzfassung des wissenschaftlichen Artikels, folgt die Struktur demselben Muster: Einführung, Methoden, Ergebnisse und Schlussfolgerungen.

Lasst uns einen Blick darauf werfen, wie dieselbe Geschichte in einer wissenschaftlichen Zeitschrift – im Abstract eines Artikels veröffentlicht in Ecology Letters (Hahs et al., 2009) präsentiert wird.

Eine globale Darstellung der Aussterbungsrate bei Pflanzen in städtischen Gebieten

Von: Amy K Hahs, Mark J McDunnell, Michael A McCarthy, Peter A Vesk, Richard T Corlett, Briony A Norton, Steven E Clemants, Richard P Duncan, Ken Thompson, Mark W Schwartz und Nicolas SG Williams

Das Aussterben von Pflanzen in städtischen Gebieten ist eine wachsende Bedrohung für die Artenvielfalt weltweit. Um diese Bedrohung zu minimieren, ist es notwendig zu verstehen, welche Faktoren die Aussterbungsraten bei Pflanzen beeinflussen. Wir haben die Daten zu den Aussterbungsraten von Pflanzen aus 22 Städten auf der ganzen Welt zusammengestellt. Zwei Drittel der Veränderung der Aussterbungsraten bei Pflanzen wurde durch eine Kombination der geschichtlichen Entwicklung der Stadt und der bestehenden Proportionen der naturbedingten Vegetation erklärt, wobei erstere die größte Variabilität erklärt. Als einzelne Variable beeinflusste auch der Anteil der verbliebenen naturbedingten Vegetationen die Aussterbungsrate besonders in Städten, die älter als 200 Jahre sind. Unsere Studie zeigt, dass die Altlasten der Landschaftswandlungen durch landwirtschaftliche und städtische Entwicklung die nächsten 100 Jahre zu spüren sein werden und moderne Städte möglicherweise eine große Schuld am Aussterben haben. Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, die naturbedingte Pflanzenwelt in städtischen Gebieten zu erhalten und dass es zur Schadensminderung nötig ist, ein mögliches Aussterben von Pflanzen in der Zukunft zu minimieren.

Wie man sieht, endet der Abstract mit den Schlussfolgerungen: „die Wichtigkeit der Erhaltung der naturbedingten Pflanzenwelt in städtischen Gebieten und die Notwendigkeit der Schadensminderung, um ein mögliches Aussterben von Pflanzen in der Zukunft zu minimieren“. Man könnte die unterschiedlichen Strukturen von Nachrichten und wissenschaftlichen Artikeln mit den Schülern besprechen, inklusive welche Art sie bevorzugen und warum.

Ein anderer Unterschied zwischen Reportagen und wissenschaftlichen Artikeln besteht darin, dass in Reportagen einige der Fakten als Zitate von Leuten, die in die Angelegenheit involviert sind, dargestellt werden. Befassen wir uns weiter mit Nachrichten:

“Das schnelle und anhaltende Wachstum der Städte bedroht deutlich die globale Artenvielfalt.“, sagt Dr. Amy Hahs, eine Wissenschaftlerin, die am australischen Forschungszentrum für Stadtökologie an den Royal Botanic Gardens in Melbourne, Australien, arbeitet.

Das erklärt, warum Hahs und ihre Mitarbeiter zusammengekommen sind, um zu versuchen die Bedrohung zu verstehen und wie man sie minimieren kann.

Ein anderer wichtiger Punkt, den man in Reportagen beobachten kann, ist, wer der „Sprecher“ im Text ist: Forscher, Politiker oder Mitglieder der Öffentlichkeit? Warum? Gibt es einen weiteren Betrachtungspunkt, der fehlt? Welcher?

Einige Forscher beschweren sich über Verzerrungen in Reportagen: dass z.B. die vorgestellte Information falsch ist oder dass die Wissenschaftler falsch zitiert werden. Als Lehrer kann man versuchen einige Probleme in Reportagen zu identifizieren, indem man das eigene Wissen über das Thema einbringt. Oder man kann seine Schüler dazu auffordern, nach Verzerrungen zu suchen und nach genauen Informationen im Internet recherchieren lassen.

Wo kann man genaue Informationen finden? Beginnen wir damit, auf den Anfang der Reportage zu schauen; die Quelle der Originalinformation ist im Allgemeinen dort. In unserem Nachrichtenbeispiel ist die Information aus einem Forschungsartikel der Zeitschrift Ecology Letters genommen (wir haben den Abstract dieses Artikels untersucht). Einige wissenschaftliche Zeitschriften erheben Gebühren für den Internetzugang zu ihren Artikeln, aber der Zugang zu den Abstracts und manchmal zu älteren Artikeln ist frei. Darüber hinaus bieten freie Online-Zeitschriftenw2 (zum Beispiel PLOS Biologyw3) freien Zugang zum ganzen Text aller Artikel.

Andere Quellen für Reportagen können wissenschaftliche Organisationen wie Universitäten, die NASAw4, die Europäische Weltraumagentur (ESA)w5 oder andere EIROforum Organisationenw6 sein. Auf deren Internetseiten kann man die Originalinformation finden (z.B. in einer Pressemitteilung – Informationen eigens für Journalisten bereitgestellt, geprüft von den beteiligten Wissenschaftlern) und mit der Reportage vergleichen. Die Internetseiten vieler Organisationen haben einen Bereich für Journalisten (manchmal Presse- oder Medienzentrum genannt) und der Zugang ist frei.

Um die Reportage und den Originalforschungsartikel (oder die Pressemitteilung) zu vergleichen, sollte man nicht nur den Unterschied, wie der Artikel aufgebaut ist und die Daten präsentiert sind, betrachten, sondern auch Unterschiede im Schreibstil berücksichtigen.

Probieren wir es aus: Die Nutzung von Nachrichten im Unterricht

Hier sind einige Vorschläge wie man Nachrichten und wissenschaftliche Artikel im Unterricht prüfen und vergleichen kann.

  1. Wovon handelt der Bericht (z.B. ein Teil der Forschung, eine Entdeckung oder ein Statement eines Wissenschaftlers)?
  2. Woher stammt der Bericht? (welches Land, welche Art von Organisation)?
  3. Wen hat der Journalist befragt (z.B. Wissenschaftler oder Politiker), überhaupt jemanden? Woher kommen sie?
  4. Wie waren die befragten Wissenschaftler involviert? Zum Beispiel kommentieren sie die Forschung anderer oder ihre eigene?
  5. Arbeitete der Wissenschaftler allein oder als Teil einer Gruppe?
  6. Ist es durch Untersuchung der Reportage möglich zu sagen, wer die Forschung finanzierte? Wenn man diese Information nicht im Text finden kann, warum meinst du, dass sie fehlt?
  7. Was war die Informationsquelle? Das ist ein wichtiger Aspekt, wenn man mehr über das Thema herausfinden will.
  8. Ist das Thema der Reportage in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift (siehe Raphael, 2007) veröffentlicht worden. Wenn ja, in welcher? Meinst du, diese Information ist wichtig? Warum oder warum nicht?
  9. Warst du mit dem Thema vertraut, bevor du die Geschichte gelesen hast? Wenn ja, enthält der Text neue Informationen für dich? Was ist, wenn etwas mit dem nicht übereinstimmt, was du vorher gewusst oder gedacht hast?
  10. Versuche die Originalquelle der Information zu finden und überprüfe die Einzelheiten? Hast du Fehler gefunden? Wenn ja, welche Art von Fehlern, (falsche Information, falsche Erklärung oder andere Fehler?) Wie würdest du diesen Teil neu schreiben, um die Fehler, die du gefunden hast, zu korrigieren?
  11. Für wen (z.B. für Schüler, Lehrer, Wissenschaftler oder die Öffentlichkeit) denkst du ist dieser Text geschrieben? Woraus schließt du das?
  12. Was war das Ziel des Journalisten oder der Zeitung diesen Artikel zu veröffentlichen? Nur um Informationen zur Verfügung zu stellen? Oder gibt es ein verstecktes Ziel, wie Panikmache, ein politisches Ziel oder den Versuch mehr Zeitungen zu verkaufen?
  13. Finde eine Reportage aus einer anderen Zeitung über den gleichen wissenschaftlichen Sachverhalt und vergleiche sie. Hilft das dir einige der vorherigen Fragen zu beantworten?
  14. Wenn die Reportage über Forschungsergebnisse oder eine Entdeckung handelt, versuche sie in einen wissenschaftlichen Artikel umzuwandeln und vergleiche mit der Originalquelle.

References

Web References

  • w1 – Der ganze Artikel ist auf der Internetseite der BBC zugänglich (http://news.bbc.co.uk) oder durch den direkten Link: http://tinyurl.com/yah6a5v
  • w2 – Einige frei zugängliche Zeitschriften können über das Verzeichnis der frei zugänglichen Zeitschriften www.doaj.org gesucht und abgerufen werden.
  • w3 – PLOS Biologyist eine frei zugängliche, von Experten beurteilte allgemeine biologische Zeitschrift , Siehe: www.plosbiology.org
  • w4 – Um mehr über die NASA , die Nationale Luft- und Raumfahrtbehörde, zu erfahren, siehe: www.nasa.gov
  • w5 – Die europäische Weltraumorganisation (ESA) ist ein Mitglied des EIROforum, dem Verlag von Science in School. Mehr Informationen über die ESA inklusive Pressemitteilungen über die letzten ESA-Entwicklungen, siehe: www.esa.int
  • w6 – EIROforum, der Verlag von Science in School, ist eine Partnerschaft zwischen sieben europäischen wissenschaftlichen Forschungsorganisationen aus verschiedenen Staaten. Um mehr über das EIROforum und die neuesten Pressemitteilungen von den sieben Organisationen zu lesen und zu erfahren, siehe: www.eiroforum.org

Resources

  • Für die Suche nach Pressemitteilungen ist AlphaGalileo ein guter Ausgangspunkt. Man kann in der Online-Datenbank Tausende von Pressemitteilungen und anderen Materialien über die neuesten europäischen Entwicklungen in der Wissenschaft, der Technik, der Gesundheit und in anderen Gebieten suchen. Siehe: www.alphagalileo.org
  • DieAmerikanische Gesellschaft zur Förderung der Naturwissenschaften AAAS betreibt einen ähnlich, globalen Nachrichtenservice für wissenschaftliche Themen, Eurekalert. Siehe: www.eurekalert.org
  • Um mehr darüber zu erfahren, wie Reportagen geschrieben werden, siehe die Internetseite von Media Awareness Network (www.media-awareness.ca) oder benutze den direkten Link: http://tinyurl.com/d3hwss
  • Wenn dir dieser Artikel gefällt, kannst du die anderen Lehraktivitäten durchstöbern, die bei Science in School veröffentlicht worden sind. Siehe: www.scienceinschool.org/teaching

Author(s)

Fernanda Veneu-Lumb ist eine brasilianische Wissenschaftsjournalistin. Sie begann 1992, als sie noch am College war, für die Medien zu schreiben. Ihre Erfahrung in Interviews mit Wissenschaftlern führte 2009 zum PhD zu verschiedenen Wahrnehmungen menschlichen Lebens und wie diese Sichtweisen im wissenschaftlichen Unterricht genutzt werden könnte.

Marco Costa ist ein brasilianischer Chemieingenieur mit einem PhD auf dem Gebiet der Biosafety. Er arbeitet in der Biosafety, hat eine Professur für wissenschaftliche Methologie an der Fundação Oswaldo Cruz (Oswaldo Cruz Foundation) in Brasilien und entwickelt neue Strategien für den naturwissenschaftlichen Unterricht.

Review

Viele Lehrer für Naturwissenschaften benutzen wahrscheinlich schon die neuesten Nachrichten im Unterricht, um die Schüler zu motivieren; dieser Artikel hebt die Wichtigkeit von wissenschaftlicher Berichterstattung hervor und gibt Ratschläge, wie man es "wissenschaftlich" durchführt. Er prüft sorgfältig verschiedene Wege des Schreibens und Interpretierens von naturwissenschaftlichen Nachrichten und bietet eine Liste von Fragen für jede Klassensituation an.

Der Artikel könnte einfach mit jüngeren Schüler genutzt werden (Alter 10 -13): ein Schüler könnte einen Zwei-Minuten-Vortrag über ein wissenschaftliches Thema halten, welches er oder sie in der Zeitung oder einer Zeitschrift gelesen hat oder im Fernsehen gesehen hat; danach könnte in der Klasse eine kurze Diskussion über das Thema stattfinden.

Zusätzlich könnte der Artikel dazu benutzt werden, fortgeschrittenen Schüler (Alter 13 -19) beizubringen, wie sie eigene Reportagen über einige aktuelle wissenschaftliche Nachrichten schreiben. Das Benutzen des Internet um die Genauigkeit der Themen, über die in den Nachrichten berichtet wird, zu überprüfen und das Vergleichen der Inhalte mit dem Originalartikel könnten zu einem normalen Teil des Unterrichts werden.

Friedlinde Krotscheck, Österreich

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