Fusion im Universum: die Kraft der Sonne Understand article

Übersetzt von Marlene Rau. Mark Tiele Westra vom European Fusion Development Agreement (EFDA) in Garching erhellt die Quelle der Energie auf der Erde: die Sonne.

Vor etwas über hundert Jahren hatte niemand eine Ahnung, wie die Sonne es schafft, die enorme Energiemenge zu produzieren, die sie in den Weltraum strahlt. Natürlich gab es Gedanken und Ideen, viele davon recht clever. Einige Gelehrte hielten die Sonne für eine riesige Gaswolke, die unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert, wobei die entstehende Reibung und Kollisionen zu ihrer Erhitzung führen. Andere dachten, die Sonne hätte schlicht noch keine Zeit gehabt, sich seit ihrer Entstehung abzukühlen. Beide Ideen führten zu der Schlussfolgerung, daß die Sonne nicht viel mehr als einige zehntausend Millionen Jahre alt sein könne. Wäre sie nur etwas älter, wäre sie schon abgekühlt.

Aber dann kamen Darwin und seine Kollegen daher, untersuchten Bildung und Erosion von Gestein und die langsame, langsame Evolution des Lebens. Ihre Theorien ergaben nur Sinn, wenn die Sonne viel älter war, mindestens hunderte von Millionen von Jahren, vielleicht sogar eine Milliarde Jahre alt. Es herrschte Uneinigkeit.

Eine Lösung kam erst mit der Entdeckung der Radioaktivität in Sicht und der Akzeptanz der überraschenden Ansicht, daß Masse und Energie nach Einsteins E=mc² irgendwie austauschbar sind. Sir Arthur Eddington, ein britischer Astronom, war der erste, der alle Hinweise erwog, und verwegen vermutete, daß es Kernfusion sein könnte, die für die massenhafte Energieproduktion der Sonne verantwortlich ist. Kernfusion, der Prozeß, der schwerere Elemente entstehen läßt, indem leichtere verschmelzen. In der Zwischenzeit wissen wir daß die Sonne tatsächlich Wasserstoff verbrennt, das leichteste Gas des Universums, und es in Helium verwandelt. Wir wissen sogar wie – siehe nachstehende Abbildung.

Energieproduktion in der Sonne: zwei Wasserstoffkerne verschmelzen zu einem Deuteriumkern, einem Positron und einem Neutrino. Das Positron trifft rasch auf ein Elektron, sie löschen sich gegenseitig aus, und nur Energie bleibt übrig. Der Deuteriumkern verschmilzt dann weiter mit einem weiteren Wasserstoffkern zu Helium-3. Im letzten Schritt verschmelzen zwei Helium-3-Kerne zu Helium-4 und zwei Wasserstoffkernen. Zum Vergrößern auf die Abbildung klicken.
Abblidung mit freundlicher Genehmigung von Mark Tiele Westra

Die Details dieses Prozesses sind verblüffend. Zunächst muß ein Wasserstoffkern (Proton) in der Sonne durchschnittlich 5 Milliarden Jahre warten, bevor er den Sprung wagt, und mit einem anderen Wasserstoffkern zu Deuterium verschmilzt. Dies ist für uns übrigens eine gute Nachricht: wenn dies schneller geschähe, wäre der Sonne schon vor langer Zeit der Treibstoff ausgegangen, und wir wären nicht hier. Der zweite Schritt, in dem Helium-3 aus Deuterium und Wasserstoff entsteht, passiert durchschnittlich nach 1,4 Sekunden, und der letzte Schritt, die Produktion von Helium, benötigt 240.000 Jahre. Die Energie, die während des Fusionsprozesses freigesetzt wird, verwandelt sich in Photonen: Licht.

Wenn die erste Aufregung vorbei ist und die Lichtphotonen produziert worden sind, die eines Tages die Erde erreichen könnten, brauchen sie noch etwas Geduld. Ein Photon geht mit Lichtgeschwindigkeit auf die Reise zur Erde, stößt aber fast sofort auf ein Elektron, das das ankommende Photon in eine zufällige Richtung abprallen läßt, wie den Ball in einem Flipperautomaten. Dies geschieht wieder und wieder und wieder. Das durchschnittliche Photon benötigt über 20.000 Jahre für die 695.000 Kilometer lange Reise vom Zentrum der Sonne bis ihrer Oberfläche, was umgerechnet ziemlich mickrige 4 Meter pro Stunde sind.

Nach dieser langen Irrfahrt überwindet das Photon die übrigen 149 Millionen Kilometer zur Erde mit der üblichen Lichtgeschwindigkeit und gelangt 8 Minuten später schließlich ans Ziel. Und das sind die, die Glück gehabt haben: es gibt auch Photonen in der Sonne, die vor 5 Milliarden Jahren gebildet wurden, aber den Weg nach draußen immer noch nicht gefunden haben. Man stelle sich das bei einem Labyrinth vor…

Beim Fusionsprozeß wird noch ein weiteres seltsames Teilchen gebildet: das Neutrino (siehe Abbildung). Ein Neutrino interagiert fast nicht mit Materie, und kann daher im Nu der Sonne entfliehen. Neutrinos werden zuhauf von der Sonne gebildet: jede Sekunde, fliegen 100 Milliarden solare Neutrions durch jede unserer Fingerspitzen! Die meisten Neutrinos fliegen geradewegs durch die ganze Erde hindurch, ohne überhaupt von ihr Notiz zu nehmen. Tatsächlich würde ein Neutrino durch ein ganzes Lichtjahr voll Blei fliegen, ohne gestoppt zu werden!

Wenn wir über das Zentrum der Sonne nachdenken, stellen wir uns irgendeinen prasselnden, feurigen Hochofen vor, der Hitze abstrahlt. Mit der 150fachen Dichte von Wasser (ein halber Liter Sonne wiegt so viel wie ein durchschnittlicher Mensch), und einer Temperatur von 15.000.000 Grad Celsius ist es nach jedem Maßstab eine ziemlich abschreckende Umgebung. Aber wenn man einen Kubikmeter aus der Sonnenmitte nehmen würde, würde man feststellen, dass er nur etwa 30 Watt produziert, kaum genug, um eine Glühbirne mit Energie zu versorgen. Es ist die bloße Größe der Sonne, die gewährleistet, daß wir es auf der Erde tatsächlich warm haben.

Im Moment verbrennt die Sonne in jeder Sekunde 600 Millionen Tonnen Wasserstoff und verwandelt sie in 596 Millionen Tonnen Helium. Wo sind die fehlenden 4 Millionen Tonnen geblieben? Sie sind vollständig in Energie umgewandelt worden. Wenn wir E=mc² (mit E als Energie, m als Masse und c als Lichtgeschwindigkeit) anwenden, stellen wir fest, daß 4 Millionen Tonnen Materie 100.000.000.000.000.000.000 Kilowattstunden Energie entsprechen, oder grob geschätzt einer Million Mal der Energiemenge, die die gesamte Erde in einem Jahr verbraucht. Und diese Energie wird von der Sonne jede Sekunde freigesetzt. Das nenne ich Solarkraft!

Bisher hat die Sonne die Hälfte ihres Wasserstoffvorrats verbrannt. Sie brennt seit fünf Milliarden Jahren und wird weitere 5 Milliarden brennen. Und dann? Dann ist die Party vorbei. Die Sonne wird zu einem „roten Riesen“ anschwellen, die Atmosphäre und alles Wasser und Leben auf unserem Heimatplaneten wegkochen. Wir sollten besser vorher abhauen, aber laßt es uns genießen, solange es noch hält.

Die Entdeckung von Helium

Im 17. Jahrhundert haben Wissenschaftler die Zusammensetzung des Lichts (das Spektrum) untersucht, indem sie es mit einem schmalen Schlitz und einem Prisma in seine farbigen Bestandteile aufgespalten haben. Aus Experimenten mit Leuchtgasen war wohlbekannt, dass Elemente, wenn man sie erhitzt, selektiv bestimmte präzise Lichtfarben emittieren, die als helle Linien im Spektrum erscheinen (man denke an eine Neonröhre).

Bei Betrachtung des Spektrums der Sonne fand man dunkle Linien, die genau den Orten im Spektrum entsprachen, an denen hellen Linien in Leuchtgasen auftraten. Man erkannte schnell, dass die dunklen Linien vom selben Element hervorgerufen werden mußten, daß, statt Licht auszustrahlen, es absorbiert. So konnte die Zusammensetzung der Sonne analysiert werden, indem man das Spektrum des Sonnenlichts gründlich studierte.

Von den meisten Banden des Sonnenspektrums wußte man, daß sie zu Elementen gehören, die auf der Erde vorkommen, aber es gab einen Satz im solaren Spektrum, der sich den Wissenschaftlern entzog. 1868 stellte der britische Astronom Norman Lockyer die Hypothese auf, dass diese dunklen Banden von einem bisher unbekannten Element ausgelöst werden, dass auf der Sonne existiert. Er nannte es „Helium“, nach dem griechischen Sonnengott Helios. Erst 25 Jahre später isolierte man das erste Helium auf der Erde.


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In einem Zeitalter, in dem nicht erneuerbare Energiequellen schnell verschwinden und effiziente erneuerbare Energiequellen verzweifelt gesucht werden, ist Fusion ein häufiges Diskussionsthema in vielen wissenschaftlichen Zeitschriften und Zeitungen. Schon in jungem Alter könnten Schüler mit einem solchen Begriff konfrontiert werden ohne richtig zu verstehen, was er bedeutet.

Mark Tiele Westra vom European Fusion Agreement in Garching gibt uns eine sehr interessante und knappe Darstellung des Fusionsprozesses, der in der Sonne stattfindet. Obwohl der Artikel eine theoretische Behandlung des Themas darstellt und für den Naturwissenschaftslehrer so wie er ist zweifellos interessant ist, enthält er zudem eine informative Illustration. Sowohl Text als auch Abbildung können leicht entsprechend der Fähigkeiten der Schüler angepaßt werden, um Fusion im Unterricht zu erklären. Für fortgeschrittene Schüler gibt es auch detailliertere Informationen über die Entdeckung von Helium.

Elton Micallef, Malta

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